Lernen von den Marathon Mönchen - in 1000 Tagen um die Welt 

„Ich laufe nur, wenn ich zu spät bin“ erklärte mir Ryushin. Er ist Mönch im Enryakuji-Tempel auf dem Heiligen Berg Hiei nicht weit von Kyoto in Japan.
Der Tempel ist die Geburtsstätte des Tendai-Buddhismus. Einige der Mönchen machen eine Laufaskese. Eine Saison oder das ganze Programm über 1000 Tage in sieben Jahren. Dabei laufen sie meist 100 Tage in Folge immer wieder um den Berg Hiei. Die Runden sind jeweils 30-84 km lang. Am Ende ergibt sich in etwa eine Strecke von knapp 40.000 km.

Die Bergumkreisung heißt Kaihogyo.
Dazu gehört unter anderem auch eine 9 tägige Fastenzeit, in der weder gegessen, geschlafen noch getrunken wird. Lediglich ein leichtes befeuchten des Mundes ist erlaubt. Ziel ist die Erleuchtung oder ihr zumindest ein ganzes Stück näher zu kommen.

Ryushin und seine Kollegen werden als Marathon Mönche bezeichnet. Nach längerer Recherche und einigen Sprachbarrieren hatte ich Glück und ein paar äußerst inspirierende und interessante Begegnungen.
Ich konnte mit dem Tempeldiener sprechen der gerade am Feuer machen war. Der hat mich zu einem Mönch geführt, der gerade beim Beten war. Im anschließende Gespräch sprach er japanisch, ich englisch. Verbal haben wir uns nicht verstanden, ansonsten schon. Während einer Zeremonie im Tempel wurde ich von einem Mönch gesegnet und nach einer Einweisung in Zazen durch Ryushin, der englisch spricht, haben wir uns über Kaihogyo, Fudomyoo, den Feuerbuddha, das Mönchsleben, Sandalenlaufen und Ultraruninng unterhalten.

Die Laufaskese ist eine Form der Mediation. Neben Zazen, meditieren im Sitzen, Kinhin, im Gehen, gibt es u.a. eben auch Kaihogyo, langes Gehen in der Natur und dabei den Berg umkreisen. Die meditativen Erfahrungen im Sitzen und Gehen sind nicht so weit voneinander entfernt, ließ ich mir sagen.

Ursprünglich wollte der Mönch Sōō, Begründer von Kaihogyo um 900 n. Chr., eigentlich nur alle Buddhas in ihren Tempel am Berg besuchen. Über die Jahrhunderte wurden es immer mehr Tempel und die Strecke dadurch immer länger. Die meisten der Tempel gibt es heute nicht mehr. Auf der Strecke sind es aber über 250 Plätze, an denen der Kaihogyo-Mönch auf seinem täglichen Marsch stoppt und ein Ritual durchführt.
Die Mönche laufen zwar bei der Ausübung ihrer Askese in der Regel nicht, gehen aber so schnell, dass - wenn man ein Stück mitgehen will - die meisten zu Laufen beginnen, damit sie hinterher kommen. Schnelles Gehen kennen wir ja, von den längeren Strecken in den Bergen.

Zur Vorbereitung auf den Lauf, sagt Ryushin, rezitiert er eine halbe Stunde Sutras bevor es mitten in der Nacht losgeht. So ist er schon in einem meditativen Zustand beim Start. Also so wie Sportler beim Olympia, ergänzt er.

Während dem Laufen, besonders wenn es schwer wird, spricht er den Namen von Fudomyoo, dem Feuerbuddha, als Mantra vor sich hin. Immer und immer wieder.
Fudomyoo schaut grimmig, hat eine Waffe und ein Seil in der Hand. Böse ist er aber nicht, versichert mir der Mönch. Mit dem Seil fängt er das Böse und Schlechte ein und erlegt es mit der Waffe, dazu braucht es etwa Ärger oder Aggression, damit sich die Energie entfalten kann. Beim schnellen Gehen, gibt es immer wieder Situationen in denen was bekämpft werden muss, um Gutes entstehen zu lassen. Die Laufaskese, dient dazu Herausforderungen zu bestehen, Erfahrungen zu machen und zwar in einem relativ kurzen Zeitraum. Um dann, anschließend mit diesen Erfahrungen und Erkenntnissen, mehr Zeit zu haben den Mensch zu helfen.

Kaihogyo ist so gesehen ein sehr effizientes Instrument um sich zügig zu entwickeln und dann die Erkenntnisse mit anderen zu teilen.
Neben dem Fudomyoo-Mantra, hilft auch eine spezielle Atemtechnik um in den meditativen Zustand zu gelangen bzw. zu bleiben.
Nicht jeder der Mönche am Berg bekommt die Erlaubnis zum Kaihogyo. Ryushin reinigte drei Jahre lang den Berg und dabei sich selbst, bevor er das erste mal startete. Außerdem hat er viel darauf trainiert. Er war es gewohnt lange und schnell zu gehen. Einige seiner Kollegen waren weniger gut vorbereitet und hatten entsprechend ihre Probleme und Schmerzen.
Weiter erwähnte Ryushin, dass er ja in Strohsandelen unterwegs ist und das im Wald auch voll ok ist, aber auf Asphalt (ca.10% der 30 km Strecke) ist das nix. Außerdem läuft er Mittel-/Vorfuß, damit er sich nicht verletzt.

 

Aber wo liegt denn nun das Geheimnis?
Manche schaffen trotz Training kaum 20 km und die Mönche legen 100 Tage am Stück jeweils bis zu 84km zurück, da wird es dem gemeinen Ultraläufer ganz anders.
Wenn man sich ernsthaft fürs Laufen, lange Strecken und ein bisschen auch fürs Geistige interessiert, kennt man das meiste von dem Ryushin erzählt hat bereits.
Das Geheimnis liegt, wie so oft im Sport, im Training. Beim Kaihogyo ist es ein sehr umfangreiches und hartes Training. Ein Großteil davon findet allerdings nicht in Bewegung statt. Sondern im Gegenteil im still Sitzen.


Beim Ultralauf spricht man davon, dass der größte Teil mit dem Kopf gelaufen wird.
Und alles was man darunter so versteht, trainieren die Mönche. Ich durfte in das Training mal reinschnuppern. Es wird meditiert, rezensiert, geatmet und gemalt. Es wird speziell gegessen, im Garten gearbeitet und dann auch noch ein bisschen gelaufen oder gegangen.
Alles sehr intensiv. Wenn du nach dem Sitzen Muskelkater hast, dann weißt du Bescheid.
Am Ende kochen die Mönche aber auch nur mit Wasser, nur, sie haben halt sehr klares und frisches am Berg.
Wie ich bei einem Morgengebet lernen durfte, sind die Menschen mit Buddha auf Augenhöhe, aber halt mit deutlichem Abstand zur Erleuchtung. Die Mönche sind da schon näher dran.
Das harte Training hat viel mit Disziplin, allerdings nichts mit Schmerzen zu tun. Wenn Du dich in der Sitzposition nicht wohl fühlst, ändere sie, auch während der Mediation.

 

Du sollst beim Meditieren ja nicht an deine Schmerzen denken, sondern an nichts.

Beim Laufen übrigens auch.